Dienstleistungsgesellschaft oder die Reform der Meuchelmörder.
El-Meky Dienstleistungsgesellschaft oder die Reform der Meuchelmörder.hier mal eine schon etwas ältere Geschichte von mir :Signatur
Dienstleistungsgesellschaft oder die Reform der Meuchelmörder
Frau Wanda Kluschenka, eine Weissrussin, steht in ihrer kleinen Küche eines Reihenhauses und kocht Borschtsch, wie es ihre Mutter und Großmutter schon lange vor ihr getan haben.
Sie summt gedankenverloren ein Liedchen vor sich hin, als sie den Topf vom Gasherd nimmt.
Ihr rechter Topfhandschuh fängt dabei Feuer.
Frau Wanda Kluschenka lässt ihn vor Schreck auf den Dielenfußboden fallen.
Dieser, genährt von Fettspritzern, beginnt sogleich zu brennen .
Eilig hastet sie in ihre Wohnstube zum Telefon und wählt die 112-Notrufzentrale an.
Nach ca. einer Minute meldet sich eine angenehme Frauenstimme.
„Guten Tag. Sie sind mit der Feuerwehr - Rettungstdienst - Notrufzentale verbunden. Wenn es sich um eine Brandmeldung handelt, dann drücken Sie bitte die Ziffer 1 …“
„Hilfe, meine Küche brennt, bitte kommen sie schnell in die Schumann-Riedel-Straße 20a!“ ruft Wanda in den Hörer.
„… wenn es sich um einen gesundheitlichen Notruf handelt, so drücken Sie bitte die Ziffer 2!“ …
Frau Kluschenka wird bewusst, dass die nette Dame bei der Feuerwehr eine Stimme vom Band ist.
Die Rauchschwaden wabern derweil in ihre gute Stube, und die Glasscheiben in der Küchentür reflektieren warmes, orangefarbenes, flackerndes Licht.
Mit tränenden Augen sucht ihr Finger die Taste mit der 1 und drückt diese ungeduldig.
Erneut erklingt diese freundliche Frauenstimme.
„Haben Sie eine FSEV – Feuerwehr-Serviceeinheit-Versicherung,
Servicepack A
– mit einem Löschzug ohne Leiter und Krankenwagen, so drücken Sie bitte die Ziffer 3.
Für
Servicepack B
– Zwei Löschfahrzeuge plus Leiter und unbegrenzte Meteranzahl des Wasserschlauches – dann drücken Sie bitte die Ziffer 2.
Für
Servicepack C Premium
– zwei Löschfahrzeuge plus Hydraulikhochleiter plus Krankenwagen und modernste Wasserschläuche von unbegrenzter Länge sowie die Lokale Presse – dann drücken Sie bitte die Ziffer 1.“
„Ohh Mamuschka!“ jammert Wanda und versteht kein Wort. „Versicherung? Ich habe keine Versicherung.“
Sie denkt sich: ,Ein Krankenwagen muss nicht sein und die Presse schon gar nicht.‘
Die Flammen schlängeln sich von der Küche in die kleine Diele.
Hastig drückt sie die Ziffer 3.
Der Rauch im Zimmer beißt in ihren Augen.
Die Telefonstimme sagt beängstigend ruhig:
„Vielen Dank! In wenigen Minuten wird ein Löschzug ohne Leiter und ohne Krankenwagen bei Ihnen eintreffen. Bitte legen Sie nicht auf! Drücken Sie nun die Ziffer 0, um Ihre genaue Adresse laut, langsam und deutlich anzugeben.“
Frau Wanda tut, wie ihr geheißen, und ein Herr meldet sich.
„Sagen Sie bitte deutlich ihren Namen, Ihr Geburtsdatum und die genaue Adresse des Brandortes, Brandherdes inclusive Etagenangabe.“
Frau Wanda bekommt einen Hustenanfall und ihre Stimme will ihr versagen.
So gut es geht, krächzt sie mit tränenden Augen die gewünschten Angaben in die Muschel.
Diese Geschichte fand ihr schnelles Ende.
Die Feuerwehr war schon nach 8 Minuten vor Ort und die Küche und Diele von Frau Wanda K. nicht mehr zu gebrauchen.
Vier Tage später erhält sie folgende Rechnung von der Landeshauptkasse:
Sehr geehrte Frau Kluschenka,
unsere Abteilung für Finanzen – Innere Dienste , muss mit Bedauern feststellen, dass Sie keine Versicherungspolice FSEV – Feuerwehr - Serviceeinheit - Versicherung – abgeschlossen haben.
Wir müssen Ihnen somit die entstandenen Kosten für die Rettungsdienstliche Leistung GBV 223 in Ihrer Wohnung in Rechnung stellen.
Einnahmewirtschaftliche ID-Kennnummer: W.K.284.556.70 PL
An- und Abfahrt eines bemannten Löschfahrzuges ohne Leiter: 178,00 EUR
Löschung der Küche und der Diele: 382,76 EUR
Nutz-Wassergebühr 1,700 ltr: 94,45 EUR
Teilentsorgung der Dielen durch das Fenster in Kubikmetern: 213,26 EUR
Verwaltungsgebühren: 58,01 EUR
Gesamtsumme: 826,48 EUR
Zahlen Sie bitten innerhalb 10 Tage nach Rechnungsdatum auf unten genanntes Konto.
Hochachtungsvoll,
Ihre Feuerwehr
Diese Rechnung ist maschinell erstellt und trägt deshalb keine Unterschrift.
Frau Wanda ist platt.
Als gute, devote Bürgerin läuft sie schnurstracks zu ihrer Sparkasse, um einen Kredit aufzunehmen.
Die Rechnung der Feuerwehr kommt ihr gar nicht recht, weil sie doch so dringend ein neues Gebiss braucht und es sich sowieso kaum leisten kann.
Aber der Mensch muss doch schließlich essen.
Die Küche und die Diele müssen grundrenoviert und neu eingerichtet werden.
Was das Feuer übriggelassen hat, ist durch Ruß und Wasserschaden nicht mehr zu gebrauchen.
,Ach ja, ich muss ja auch noch eine Entrümpelungsfirma anrufen, damit sie die ollen Sachen für den Sperrmüll abholen. Was das nun wieder kosten wird.‘ grübelt Frau K.
Sie nimmt einen Sofortkredit in Höhe von 5.000 EUR mit einem Zinzsatz von 17% auf und lässt sich das Geld an der Kasse auszahlen.
Auf dem Heimweg kauft sie noch ein neues Handy mit Startguthaben.
Sie will es ihrer Tochter Irina schenken, damit diese sich öffter bei ihr melden kann.
Als sie durch den Park läuft, schubst sie von hinten ein junger Mann, den sie gar nicht hat kommen hören.
Sie stürzt hart zu Boden und fühlt einen heftigen Schmerz in ihrer linken Bauchgegend.
Der Kerl reißt ihr die Tasche aus der Hand und flüchtet.
Das Messer lässt er in Wanda stecken.
Blutend und noch ganz verdattert, sucht sie in ihrer Manteltasche das neue Handy.
110 – Polizei …
„Guten Tag!“, meldet sich eine freundliche Frauenstimme auf der anderen Seite.
„Hier ist die Polizeiliche Notrufzentrale …“
„Hilfe! Überfall!“, röchelt Frau Kluschenka ins Handy.
„… für die PNHDL – Polizeichliche Not-Hilfsdienstleistungs-Versicherung –
Servicepack A
– Ein mit zwei Mann besetztes polizeiliches Fahrzeug, innerhalb der nächsten 15 Minuten zum Tatort ohne Krankenwagen – so drücken Sie die Ziffer 3
Servicepack B
– Ein vollbesetzter Mannschaftswagen mit Nebelhorn und Krankenwagen, innerhalb der nächsten 10 Minuten am Tatort – dann drücken Sie die Ziffer 2
Servicepack C Premium
– Zwei Mannschaftswagen mit Nebelhorn und Blaulicht plus 1 Krankenwagen und einem Helikopter und die Lokalpresse, innerhalb der nächsten 5 Minuten zum Tatort – drücken Sie die Ziffer 1.
Frau Kluschenka weiß, dass sie außer ihren 5.000 Euro auch noch sehr viel Blut verloren hat.
Aus Angst, zu sterben und in der Hoffnung, dass der Täter so schnell wie möglich ergriffen werden wird, drückt sie die Ziffer 1.
„Bitte legen Sie nicht auf! …“, ertönt diese gelassen freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
„… um Ihre genaue Ortsangabe aufzunehmen, drücken Sie jetzt bitte die Ziffer 0 und sprechen Sie langsam, laut und deutlich.“
Frau Wanda Kluschenka aber verstarb leider frisch verschuldet, noch bevor die Polizei – Servicepack C Premium – im Park auftauchte.
E. Meky ©
Katrin Mocker Herrlich zu lesen -Signatur
und in der Hoffnung dass nirgendwo ein Baum, Kochtopf o.ä. brennt und keiner überfallen wird oder in andere Nöte gerät
sage ich danke und wünsche Dir erholsame Tage.
LGGast , 4Wau! Hier geht in letzter Zeit das Geschichtenschreiben los. Das gefällt mir!!!
Ich mag' ebenfalls schwarzen Humor und die Story macht einen schon etwas nachdenklich, zumal wenn man selber schon in den Mühlen der Ämter und Bürokratie steckengeblieben ist.
Schön sarkastisch auf die Spitze getrieben, Heliopo!Seite 1 von 1 [ 11 Beiträge ]
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