• Corona-Decamerone

  • Paco
    Corona-Decamerone
    Hallo KN-Nachbarn,

    wir erleben gerade durch diese Corona-Pandemie immer öfter wahrlich gespenstische Szenarien - zumindest empfinde ich es ganz stark so.
    Heute kam mir das Decamerone, die Novellen-Sammlung Boccaccios, in den Sinn, wo sich während der Pest im 14. Jh. nahe Florenz 10 Leute vor der Seuche abschotteten und jeder von ihnen, um auf andere Gedanken zu kommen, 10 Geschichten zum Besten gab (insg. also 100 Novellen) - wohl auch ein bisschen Weltflucht ...

    Vielleicht können wir uns das zum Beispiel nehmen und hier am KN-Lagerfeuer aus unserer Klausur heraus mal die skurrilsten, bemerkenswertesten Erfahrungen austauschen. Denn wenn man solche Erlebnisse nicht schriftlich festhält, sind sie ratzfatz vergessen und das wäre m.E. schade, da wir solche außergewöhnliche Zeiten in den nächsten 100 Jahren wahrscheinlich (klopf auf Holz!) nicht noch einmal erleben werden.
    Es müssen ja keine ausgereiften Geschichten sein, einfache Schilderungen von im wahrsten Sinne des Wortes merkwürdigen Begegnungen oder der ganz speziellen Atmosphäre dieser Zeit wäre schon sehr viel.

    Deshalb mach ich mal den Anfang:
    Vorgestern war ich auf dem Weg nach Hause, als mir mittig auf dem Bürgersteig eine alte Dame entgegenkam. Plötzlich zuckte sie zusammen, als sie mich, den notorischen Lungenatmer, von weitem erblickte, und ein paar Meter vor mir drückte sich dann platt wie eine Flunder gegen die Hauswand, die Arme weit ausgebreitet, die Finger in den rauen Putz gekrallt. Beim Vorbeigehen sah ich ihre angsterfüllten Augen, absurd weit aufgerissenen, wie man das von schlechten amerikanischen B-Movies kennt - die Close-up-Einstellung des Gesichts, kurz bevor das Biest sein menschliches Opfer zerreißt oder noch besser, von den deutschen expressionistischen Stummfilmen wie z.B. Orlacs Hände:
    Eine sehr absurde, gespenstische Szene ...

    Gut fand ich eben auch einen Typen, der an mir vorbeiging mit einer Kombi aus weißer Atemschutzmaske und großen schwarzen Kopfhörer-Muscheln. Sah so ein bisschen aus wie Luis de Funes Außerirdische (Kohlköpfe) ...:
    Also, wie man sieht, Filmzitate über Filmzitate zur Zeit - man muss nur die Augen offen halten ...
  • Frank Enrechen
    In den Staaten nimmt der Zug erst gerade fahrt auf und deren Schaffner spricht schon vom Umsteigen und die Zelte für die Feier aufbauen. Vor vier Wochen ist mir der erste in meiner Stadt über den Weg gelaufen der eine Maske trug. Damals haben noch alle gelacht. Es ist doch noch nicht einmal ein Monat vergangen. Das Lachen schon. Was wohl die machen die ohnehin nichts zu lachen haben, wo sollen die hin die nirgends hin können und wie sieht heute in vier Wochen aus? Das verlorene Jahr. Wir verlieren Zeit, wir verlieren Menschlichkeit, mancher von uns verliert auch sein Leben.
    Generell bin ich kein Angsthase, und schlafe wie ein Stein. Tagsüber Einstein, nachts ein Stein sage ich mir immer, aber seit ein paar Tagen ist es gar nicht so leicht einzuschlafen. All die Gedanken. All die Fragen.
    Das Leben geht weiter. The Show must go on. Für die meisten von uns zumindest. Und irgendwie kann man die Ausmaße gar nicht erfassen. Es ist als ob ich eine Doku über einen Krieg ansehe, es kommt mir aber nicht so vor als würde er gerade geführt. Aus der Zeit gefallen. Aus der Realität gebrochen. Worte gesprochen die nicht viel sagen und beim Sprechen doch den Hals befreien.
    Ich wünschte gerade ich hätte einen Hund. Einen Hund der sich um mich kümmert. Ich gebe ihm zu fressen und er hält mir die Pfote, schaut mich an und ich weiss, alles ist gut. Zu viel zu wissen ist schlechter wie zu wenig zu wissen. Ändern kann ich ja ohnehin nichts. Ich bin ja kein Schneider und maßgeschneidert ist auch die Panade die mein Schnitzel umhüllt, soll heißen das Leben passt immer, wie ein Pommes das in Catchup eintaucht, ob es will oder nicht. Es passt.
    Signatur
  • Guru
  • Paco
    Udo Jürgens' Corona-Revival
    Gerade eben bei herrlichstem Sonnenschein nach Hause geschlendert, als ich von weitem laute Musik wahrnahm, die immer näher kam, bis der Song an der nächsten Kreuzung von einem Auto über Außenlautsprecher in schätzungsweise der Lautstärke eines halben startenden Düsenjets zu hören war: "Und immer, immer wieder geht die Sonne auf ..."
    Eigentlich finde ich Udo Jürgens eher so mittel, aber das Lied war in dem Moment mal extrem passend - Botschaft angekommen, kann man dem Fahrer auf diesem Wege nur mitteilen und für die Aufmunterung danken.

    Dann heute Morgen ein Gespräch mitbekommen, in dem der neueste Corona-Abschiedsgruß partout auf keinen geeigneten Abnhemer stoßen wollte:
    "Bleib gesund!"
    "Isch bin doch krank."
    "Dann halt, dass es besser wird."
    "Versteh isch nisch ..."
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